Dreharbeiten zum Kinofilm „Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt“ mit Hans Fries, Werner Enke, May Spils in München-Schwabing
Nachfolgend erinnert sich Filmfotograf Mike Gallus an Dreharbeiten als Tontechniker in München-Schwabing im Sommer 1978 zur Kino-Komödie Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt mit Produzent und Herstellungsleiter Hans Fries, Hauptdarsteller Werner Enke und Regisseurin May Spils.
INHALT
- So lernen wir uns kennen: Tontechniker gesucht bei der HFF
- Unterwegs auf Geräusche-Suche in München
- Kneipentour in Schwabing
- Bilder und Standfotos vom Kino-Film Nicht fummeln Liebling!
So lernen wir uns kennen: Tontechniker gesucht bei der HFF
Ich lerne Hans Fries, Werner Enke und May Spils 1978 bei den Dreharbeiten zur Schwabinger Kinokomödie Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt kennen. Und das kam so:
Das Produktionsbüro der Cinenova-Filmproduktion hat in der Hochschule für Fernsehen und Film in München (HFF) angerufen.
Sie suchen einen guten Tontechniker für den neuesten Kinofilm Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt der Schwabinger Filmemacher May Spils und Werner Enke (vgl. auch Neue Münchner Gruppe).
Professor Wolfgang Längsfeld (Spitzname „Lä“) von der Filmhochschule München weiß nur einen:
Seinen ehemaligen Filmhochschüler Mike Gallus, denn der hat schon beim Rundfunksender der Bundeswehr in Andernach und bei Tonmeister Günther Stadelmann den richtigen Ton gelernt.
So werde ich von der HFF empfohlen und bin unerwartet bei den Besten der Branche gelandet:
May Spils ist im Nachkriegs-Deutschland die erste Spielfilm-Regisseurin nach der übergrossen Leni Riefenstahl und Preisträgerin beim Internationalen Filmfestival Mannheim 1966.
Zusammen mit Werner Enke bekam sie 1968 den Deutschen Filmpreis im Bereich Dialog für den Millionenerfolg Zur Sache Schätzchen mit Uschi Glas, Henry van Lyck und Rainer Basedow.
Für diesen Film erhielt Enke zudem 1968 den Deutschen Filmpreis als bester Nachwuchsdarsteller.
Bei Nicht fummeln Liebling! mit Gila von Weitershausen, Henry van Lyck, Benno Hoffmann und Otto Sander erhielten beide 1970 den Ernst-Lubitsch-Preis als beste deutschsprachige Film-Komödie.
Und Geschäftsführer der Cinenova-Filmproduktion ist Hans Fries, ein erfahrener Produktionsleiter seit den frühen 50er Jahren.
Er war bereits als Herstellungsleiter für die beiden vorherigen Kinofilme von Spils und Enke verantwortlich: Nicht fummeln Liebling! (1970) und Hau drauf, Kleiner! (1974).
Unterwegs auf Geräusche-Suche in München
So kommt es also, dass mich Werner Enke mitnimmt zu einer Geräuschsuche in München-Schwabing.
Er will akribisch nachsynchronisieren und braucht Ton für die später legendäre Klosett-Szene in seinem neuen Film Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt.
In dieser Szene greift Steuerprüfer Fuchs (Edgar Wenzel) diensteifrig zur Tauchermaske, um die Kloschüssel in der Villa von Schwarzenbeck, gespielt von Schauspieler Benno Hoffmann, einer ordentlichen Finanzamtprüfung zu unterziehen.
Sogleich ist Charly (Werner Enke) zur Stelle und hilft dem Finanzbeamten nachdrücklich mit dem Klostampfer.
Nachdem sich Steuerprüfer Fuchs davon überzeugt hat, dass in der Tiefe des Lokus keine Gegenstände mit „steuerbetrügerischer Absicht“ deponiert wurden, zieht Charly schließlich die Reißleine, äh die alte Kette der vorsintflutlichen Klospülung.:-)
So weit zur Handlung, gleich geht`s weiter mit Details, wie ich mit Werner Enke durch München ziehe auf der Suche nach dem idealen Geräusch.
Doch erst einmal das legendäre Foto der Filmszene in einer typischen alten Schwabinger Villa:
Ich treffe also Werner Enke zum Geräuscheaufnehmen und hier kommt er, der einzige wahre „Klosett-Popper“ auf Gottes grüner Erde.
Und noch zur rechten Zeit, um Schlimmes zu verhindern, denn es wird böööse enden. Wortgenie Enke wie er leibt und lebt. Ich lerne ihn also auf dem Klo kennen, toll.
Ich ganz Ohr, bewaffnet mit der Filmschul-BAVARIA-Nagra, einer schweizer Präzisions-Tonbandmaschine für 19 oder 38 Vollspur. Enke ist bewaffnet mit dem Klostampfer und spielt mir die Film-Szene vor. Ich muss lachen, wir prusten los.
Er braucht Spezialgeräusche: Gurgeln, Ominöses, Wildes Geplätscher, Symphonisches. Das Mikrophon immer tief im Lokus. Ich fürchte um die teure Technik, er ist unermüdlich, immer noch am Probieren, will ein altes Plumpsklo mit Kette und Spülkasten.
Ich biete ihm Moderne, aber er will Antiquarisches. In Schwabing neben dem Isabellakino bringen wir es auf 3 Stellungswechsel, immer hart am Geschehen.
Hier ein Kino-Klo, dort ein Plumpsklo und dann noch eine dritte Location in einem Altbau. Aber nix mit Satisfaction. Enke will weiter fummeln an den Tönen, um das letzte rauszuholen.
Später fahren wir noch zum Schrottplatz für richtig Krach und dann mit May Spils an einen See zwecks Ton-Idylle. Hier habe ich May ganz für mich, während Enke mit dem Füttern der Enten beschäftigt ist.
Hier erfahre ich, mit welchem Rezept sie Enke unauffällig beim Drehen steuert, um sein Schwabinger Lebensgefühl in allen Nuancen wiederzugeben.
Enke fordert mir an diesem Tag alles ab, keine Spur von „Der alte Schwung ist hin“. Und sein Producer bezahlt mich am Abend fürstlich. Es ist Cinenova-Chef Hans Fries. Ein Hüne von Mann, eher ein Prackl von Mannsbild wie der Bayer sagt, mit einer begnadeten Baßstimme.
„Bist Du auch beim Film, Mike?“, fragt er, „und trägst Du immer schwarz?“ „Yes, Sir“. Er hat was Patriarchisches, aber er kann auch lachen, genauso wie er poltern kann.
Das merke ich erst später, wie er mich für die Wochenendgeschichten vom ZDF als Ausstatter und Filmarchitekt beruft. Doch das ist eine andere Geschichte.
Kneipentour in Schwabing
Zum Abschluss der Dreharbeiten für Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt werde ich von Werner Enke und Hans Fries zu einer Kneipentour durch Schwabing eingeladen. Man erwartet Trinkfestigkeit und Stehvermögen nach dem Motto: „Schaung ma a moi, was de Preissn vatrag`n“.
Die Tour beginnt in der legendären Filmkneipe Die Säge in der Feilitzschstraße (wir saßen quasi auf der Bombe, die dort 2012 hochging), läuft weiter zum Haus der 111 Biere, dann zur Gaststätte Leopold und endet nach vielen weiteren Stationen im Alten Simpl, „der legendären Filmkneipe“ von Wirtin Toni Netzle in der Türkenstrasse. Vis-à-vis vom Türkendolch-Kino.
Hier im Schwabinger „Wohnzimmer“ aller Filmleute der guten alten Zeit trifft man Ende der 70er Jahre auf Bernhard Wicki, Klaus Löwitsch, Senta Berger oder Klaus Lemke.
Im Alten Simpl erfahre ich endlich, wie die beiden Herren Filmemacher genau produzieren, was sie verbindet und wie sie sich kennen gelernt haben.
Sie kennen sich schon seit 1967 durch die Kinokomödie Mit Eichenlaub und Feigenblatt (Regie: Franz Josef Spieker), bei der Hans Fries Produktionsleiter und Darsteller war:
Als Bundeswehr-Major ist er dort militärischer Gegenspieler von Werner Enke in der Hauptrolle eines jungen Mannes, der trotz Ausmusterung verzweifelt zur Bundeswehr will, um eine heldenhafte Soldatenkarriere zu beginnen.
Ich konstatiere plötzlich, dass Enke die Physis, die schauspielerische Begabung und die Körperlichkeit eines Hans Fries begriffen und für seine Filme ideal umgemünzt hat.
Hans Fries ist als Rollentyp für Enke ein Glücksfall, weil er im anarchistischen Universum von Enkes genialen Filmideen die Ordnung wieder herstellt.
Wie ich erfahre, hat Enke ihn auch in der aktuellen Kinoproduktion Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt als Schauspieler in der Rolle des Finanzamtleiters besetzt:
Und ich erfahre im Verlauf unserer Schwabing-Tour, dass Enke Hans Fries bereits 1974 bei der Bundeswehr-Komödie Hau drauf, Kleiner! für die Rolle als autoritären Bundeswehr-Oberst besetzt hat:
Und in der Polizei-Komödie Nicht fummeln Liebling! von 1970 hat Enke Hans Fries als stimmgewaltigen Polizei-Ausbilder besetzt.
Als wir die Leopoldstrasse kreuzen erinnert sich Enke an die teilweise brutale Polizeigewalt im München der späten 60er Jahre und sein Unmut darüber ist noch immer nicht verraucht. Was heute nur noch schwer vorstellbar ist:
Im Schwabing gab es damas berittene Polizei und wenn sie in der Münchner Leopoldstrasse auftauchte und die Trillerpfeife ertönte, dann mussten schlagartig die Bürgersteige geräumt werden. Wer nicht sofort das Weite fand, bekam willkürliche Polizeigewalt mit dem Gummiknüppel zu spüren.
In Nicht fummeln Liebling! hat Enke wie schon beim Millionenerfolg Zur Sache Schätzchen 1968 die Zeit der Schwabinger Gummiknüppel auf seine Art verarbeitet.
Und mit Hans Fries hat er die Rolle des militärisch-autoritären Polizeiausbilders geradezu ideal besetzt. Beide schmunzeln verschmitzt, als sie sich an die groteske Filmszene erinnern:
Polizeiausbilder Müller (alias Hans Fries) trainiert eine Gruppe von Nachwuchs-Polizisten an einem zum Schlag-Kopf umgebauten „Hau den Lukas“ vom Münchner Oktoberfest, um die Schlagkraft mit dem Gummiknüppel für den späteren Polizeieinsatz zu optimieren.
Das ist im wirklichen Leben schwer vorstellbar, doch bei Enke geht alles im Film. Und er braucht einen autoritären Rollentypen wie diesen Hans Fries als laut-starken Zuspieler, damit die Rechnung seiner Groteske beim Zuschauer aufgeht.
Bilder und Standfotos vom Kino-Film Nicht fummeln Liebling!
Es folgen Bilder und Standfotos (Fotos, die während der Dreharbeiten zur Dokumentation einzelner Einstellungen gemacht wurden) zum Kino-Film Nicht fummeln Liebling! von Werner Enke:
In Teil 2 geht es weiter, wie sich die Wege von Hans Fries und mir nach Abschluss der Dreharbeiten für Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt in den kommenden Jahren immer wieder kreuzen werden, einmal sogar auf fast magische Weise.
Außerdem habe ich einen Schwung von Filmfotos von Kino- und Fernseh-Produktionen zusammengestellt, die Hans Fries als Herstellungsleiter oder Produktionsleiter betreut hat.